Dienstag, 30. November 2021

Da ist es wieder, dieses unmittelbare, starke Bedürfnis nach "Auskotzen". Es gibt viele Scheidepunkte im Leben, an denen wir uns rückwirkend fragen, ob wir uns richtig entschieden haben. Ob wir etwas anders gemacht hätten. Ob dann alles besser wäre.

Das ist freilich eine Frage, die sich nicht mit Sicherheit beantworten lässt, aber da es in der Natur des Menschen liegt, das Gras auf der anderen Seite als grüner zu empfinden, lautet die Antwort vermutlich Nein, es wäre nicht besser. Mit Sicherheit wäre es einfach nur anders.

Ich lese gerade "Der Wüstenplanet" in neuer Übersetzung. Paul Atreides versucht mit aller Macht, die vielfältigen Stränge seiner möglichen Zukünfte dahingehend zu verändern, dass er einen heiligen Krieg vermeiden kann. Und doch scheint jede seiner Handlungen unaufhaltsam in diese Richtung zu führen...

Vielleicht wäre es also auch nicht einfach nur anders. Vielleicht wäre es auf eine andere Art trotzdem genauso, wie es jetzt ist. Und bei genauerem Hinsehen ist das auch gar nicht so schlimm. Es ist nur das Hadern mit dem Moment, der gerade unangenehm ist und der als Folge und Summe vieler solcher Momente so schwer wiegt. Es gibt Schlimmeres... 

Zehn Minuten sind noch nicht rum, aber da sammeln sich wieder die üblichen Schreibfluss-unterbrechenden Faktoren, allen voran der demente Kater, der scheinbar genauso wenig weiß, was er will, wie ich. Also ich weiß auch nicht, was er will. Genaugenommen weiß ich aber auch nicht, was ich will. Jedenfalls nicht Einkaufen fahren. Das muss ich aber jetzt.

Bis denne.


Montag, 29. November 2021

Lange war es still hier, denn das Inspirierende der "Freiheit", die die Kündigung mit sich brachte, erlahmte und die älter werdenden Kinder bringen auch nicht mehr so viele Schoten. Zudem fehlen die langen Autofahrten, die oft Anlass und Auslöser für neue Texte waren.

Tatsächlich sind die Tage oft nicht so schlaflos wie die Nächte, die Themen ändern sich und Zeit zum Nachdenken hat man in der Dunkelheit.

Mit und nach unserem Umzug gab es viel zu tun, die Nerven lagen oft blank, vielfältige Umstellungen beschäftigten uns. Dass das Umfeld nur zum Teil neu war, hat die Vorgänge zwar erleichtert, aber nicht alle Probleme aus der Welt geschafft.

Nun kehrt Ruhe ein, zumindest teilweise. Das zweite Pandemie-Jahr ist in vollem Gange und bremst uns aus. Anstatt eines Djembe-Kurses habe ich nun endlich das langersehte Schreibstudium begonnen. Seit vielen Jahren schlummerte der Wunsch in mir, die Schreiberei auf eine professionellere Basis zu stellen und mir das Rüstzeug anzueignen. Viele angefangene Kurzgeschichten und Romane liegen in digitaler und analoger Form herum, doch nie gelang es mir bisher, etwas davon zu Ende zu führen. Nicht etwas eine Schreibblockade ist das Problem, sondern der Alltag. Das Unterbrochen-werden durch Hausklingel, Kinder, Haustiere. Dann das Zurück-finden in bereits Geschriebenes. Lesen, lesen, korrigieren, lesen ... zack, Energie weg. Auch damit kann man umgehen, das ist eines der Dinge, die man im Studium lernt. Und dass die erste Textversion nicht perfekt sein muss.

"Den Schreibmuskel trainieren" ist eine Aufgabe, der jeder (angehende) Autor nachkommen soll. Jeden Tag zehn Minuten einfach drauf los. Ich führe kein Tagebuch, aber den ein oder anderen Block mit Gedanken zum Alltag in handschriftlicher Form gibt es neben diesem Blog tatsächlich. Manchmal, wenn der Alltag zu schwer und die trüben Gedanken zu dominant sind, hilft das Schreiben. Kein Ersatz für einen Gesprächspartner, aber zumnindest eine Prothese.

Und da dieser Blog nun sowieso existiert, kann ich ihn ebenso als Schreibmuskel-Trainingsmaschine verwenden. Diese Texte werden keine Revision meinerseits erhalten, denn es geht um die Unbefangenheit beim Schreiben. Man möge mir also Stilblüten, Tippfehler oder grammatikalische Unvollkommenheiten verzeihen. Vielen Dank schonmal dafür.

Mittwoch, 10. Oktober 2018

Schubladen

Es klingelt an der Tür. Ein Blick durch die Butzenscheibe lässt erahnen: ein tief ausgeschnittenes Tank-Top auf stark behaarter Männerbrust, fast übergangslos darüber ein langer Bart und dunkles Haupthaar. Die neongelbe Warnweste und der längliche Gegenstand in der Hand der Person lassen darauf schließen, dass es sich um den Mitarbeiter eines Paketdienstes handelt. Vorsichtig öffne ich die Tür.

Freudestrahlend wünscht mir der Mann einen schönen Tag, liest das Etikett.
"Ein Paket für Frau Henkel, ist das hier richtig?"
"Ja."
Er drückt mir das Päckchen in die Hand. Keine Unterschrift notwendig.
"Das war's auch schon, Frau Henkel. Einen schönen Tag Ihnen noch und gute Besserung." Wendet sich ab und eilt zurück zum Lieferwagen.

Verdutzt blicke ich ihm hinterher.
Freundlich, gut gelaunt, höflich, akzentfrei UND auch noch aufmerksam, hatte er doch in den paar Sekunden zwischen Tür und Angel neben Erledigung seines Auftrags auch die Aircast-Schiene an meinem Sprunggelenk bemerkt.

Wie gut, dass man Schubladen umsortieren kann.


Montag, 20. August 2018

Anziehende Aussicht

Kürzlich schnappte ich folgenden Gesprächsfetzen unserer achtjährigen Zwillinge auf:

Zwilling A trällert: "Panorama, Panorama ..."
Zwilling B fragt: "Weißt du, was ein Panorama ist?"
A: "Nicht so genau, weißt du das?"
B: "Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, das ist so etwas ähnliches wie ein Schlafanzug."


Mittwoch, 1. August 2018

Wie wegen dreckiger Hosen eine schulische Zielvereinbarung nicht eingehalten werden konnte

Letzte Woche war Eltersprechtag. Zumindest hieß das bei mir früher so. Jetzt heißt es "Schulisches Entwicklungsgespräch", ist aber genaugenommen eine Standortbestimmung wie im Berufsleben.
Der Schüler gibt eine Selbsteinschätzung zu Verhaltensweisen und Leistungen ab und der Lehrer ebenfalls. (Fehlt eigentlich nur noch das Peer Feedback.)
Kindgerecht mit Smileys für "fully met" und "exceeded", eine Baustelle bei "room for improvement".
Die Aussage ist dieselbe. Nur das mit der Gaußschen Normalverteilung ist noch keine Pflicht, da es keinen monetären Bonus gibt, sondern lediglich Punkte, Aufkleber, Stempel oder was weiß ich, und der Vorrat hier scheint unbegrenzt.

Jedenfalls ist der Mitarbeiter - äh, sorry, Schüler so gut, dass es eigentlich keine sinnvollen Verbesserungsvorschläge gibt. Aber irgendetwas muss man ja bei den Zielen hinschreiben, nicht wahr, also soll der Schüler doch einfach mal Geschichten schreiben. Und zwar eine pro Woche.

Weil der Schüler das zwar eigentlich blöd findet, insgesamt aber sehr pflichtbewusst ist, setzt er sich direkt am nächsten Tag mit einem Bleistift vor ein Blatt Papier und schreibt mit zwischen die Zähne geschobener Zunge eine Geschichte auf, die er anschließend stolz präsentiert und im Laufe des Wochenendes mehrmals vorliest.

Szenenwechsel.
Der Schüler steht vorm Schrank und beschwert sich über den Mangel an passendem Beinkleid. Da am nächsten Tag wieder Schule ist, eilt die Mutter in die Waschküche, klaubt alle auffindbaren Jeans zusammen und stopft sie in die Waschmaschine, damit sie zu später Stunde noch in den Trockner wechseln können und am Morgen bereit für neue Pfützen und Schlammlöcher sind.

Am nächsten Morgen fragt der Schüler auch prompt nach seiner Hose. Es stellt sich aber heraus, dass er nicht irgendeine Hose meint, sondern exakt die, welche er gestern anhatte.


... mit Sicherheit hattet ihr in eurer Klasse auch immer diesen einen Schüler, dessen Hamster die Hausaufgaben gefressen oder dessen Wellensittich die Unterhose zum Nestbau benutzt hatte, weswegen er schon wieder zu spät zum Unterricht kam?

Nun, leider hat unser Schüler die Angewohnheit, alle wichtigen und unwichtigen Zettel - also Kassenbons, Schatzkarten und Hausaufgaben - auf Briefmarkengröße zusammenzufalten und in die Hosentasche zu stecken.

Die Mutter rennt zum Trockner. Beim Öffnen der Tür bröseln ihr bereits kleine Papierklümpchen entgegen, der Großteil steckt jedoch im Filter. Auch in der Hosentasche befindet sich noch ein kleiner Rest des ehemaligen Aufsatzes, die Helden der Geschichte weißgewaschen und klargespült, die Aufgabe geschleudert und gefönt, aus und vorbei ...

Und die Moral von der nicht mehr existenten Geschichte: Das nächste Mal kontrolliere ich WIRKLICH alle Taschen.



Donnerstag, 21. Dezember 2017

Sperrt die Kinder weg ...

Ja, 8-jährige Jungs wollen cool sein.
Ja, 8-jährige Jungs können wild sein.
Ja, 8-jährige Jungs verwenden mit Vorliebe Kraftausdrücke.
Ja, 8-jährige Jungs sind laut.

Ja.

Und trotzdem sind es noch Kinder.

Kinder, die weinend zu Mama kommen, wenn sie sich weh tun.
Kinder, die mit ihrem Teddy kuscheln.
Kinder, für die andere Kinder auch Kinder sind, egal ob drei oder zehn Jahre alt.
Kinder, für die die Erwachsenen immer noch übermächtig erscheinen und denen nicht alle Reaktionen nachvollziehbar sind.

Haben all diese Erwachsenen vergessen, dass sie selbst mal Kinder waren?
Dass jeder Stock mit nach Hause musste, je größer, desto besser?
Dass ein Bach interessanter war als Hausaufgaben?
Und dass es eigentlich keinen Tag gab, an dem ein Knie oder Ellbogen ohne Macke blieb?

Diese Erwachsenen, die früher ohne Aufsicht, ohne Handy und ohne Helm herumstreunten, bis es es dunkel wurde und heute nicht in der Lage sind, ihr eigenes Kind selbständig die Welt entdecken zu lassen?
Die nicht in der Lage sind zu unterscheiden zwischen wildem Spiel und gezielter Aggression?
Die erwarten, dass alle Eltern genauso denken wie sie?

Alles ist zu gefährlich heute. Büsche, Bäume, Treppen, alles muss gesichert, gepolstert und abgerundet werden.

Sperrt eure Kinder in Gummizellen.
Da können sie sich nicht verletzen.
Da werden sie nicht von anderen verletzt.
Da werden sie sowieso landen, wenn sie keinen Freiraum bekommen.

Und dann können meine Kinder endlich in Ruhe aufwachsen und spielen, wie ich früher gespielt habe: gelenkt, aber nicht dauerkontrolliert, mit Kräfte messen und auch mal den Kürzeren ziehen, mit aufgeschlagenen Knien und heißer Milch zum Trost.
Oft dreckig, abends meistens müde, trotzdem und vor allem glücklich.


Dienstag, 14. November 2017

Ssänk ju for träwweling wiss Deutsche Bahn

Ich war mal wieder mit diversen Fahrzeugen der DB AG unterwegs.
Es war - nun, wie soll ich sagen - eine Inspiration für einen neuen Post.

Die Bahn ist super - wenn man
  • es NICHT eilig hat, 
  • KEIN Sparpreis-Ticket mit Zugbindung kauft, 
  • genug eigenes Essen und Trinken mitführt, 
  • Ohrstöpsel und Augenbinde verfügbar hat, 
  • unter 1,80 m groß ist, s
  • ich nicht auf dunklen, einsamen Bahnhöfen gruselt und 
  • am nächsten Tag ausschlafen kann.
  • Ein voller Akku beim Handy schadet übrigens auch nicht.
Aufgeweckte Kinder mit Quietsche-Stimme, Fußrastenhampler und zwanghafte Haarzwirbler sind natürlich mein Problem, nicht das der Bahn.

Was die aber sonst noch so kann, ist beeindruckend:

  • Unplanmäßiger Halt auf der Strecke wegen Überholung ICE
  • Einfahrt in Bahnhof nicht möglich wegen polizieilicher Ermittlungen
  • Bordrestaurant geschlossen wegen Wassereinbruch
  • Verzögerte Ausfahrt aus Bahnhof wegen notärztlicher Versorgung eines Fahrgastes 

Vermutlich hatte letztere einen Anfall, weil er sich so sehr aufgeregt hat.
Oder ihm ist die Blase geplatzt. Aufgrund der völligen Überfüllung der Waggons war es nämlich auch nicht mehr möglich, das WC aufzusuchen. Getränke kaufen ebenfalls nicht machbar. Selbst wenn die Mitreisenden versuchten, Platz zu machen, standen da immer noch diverse Koffer Marke Samsonite Hartschale Übergewicht im Weg.

Ich habe sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückfahrt meine Anschlusszüge zum Zielbahnhof verpasst. Einmal zwischendrin hatte ich Glück, weil der entsprechende Zug ebenfalls verspätet war.
Meine Bimmelbahn am Ende fährt sonntags nur einmal die Stunde ...

Ich darf jetzt das Rückerstattungsformular ausfüllen, nachdem ich mich vorher am DB-Reisezentrum in die Schlange der zwanzig anderen Fahrgäste mit Beschwerden eingereiht habe, um mir die Bescheinigung über die Zugverspätung abzuholen.

Die lapidare Aussage des Angestellten am Schalter: "Hier, nehmen Sie mal zwei Formulare mit, falls Sie sich verschreiben. Von denen haben wir genug."

Weißte Bescheid, ne?